Suche im Konformationsraum großer flexibler Moleküle
Einführung
Molekülstrukturen im elektronischen Grundzustand können mit einer Vielzahl etablierter Techniken wie Mikrowellenspektroskopie, Röntgenbeugung, Neutronenbeugung oder NMR-Spektroskopie bestimmt werden. Geometrien von elektronisch angeregten Zuständen sind viel schwieriger zu erhalten. In unserer Gruppe wird die rotationsaufgelöste Fluoreszenzspektroskopie verwendet, um die Rotationskonstanten des untersuchten Moleküls zu extrahieren. Aus den Spektren können weitere Informationen gewonnen werden, wie Zentrifugalverzerrungskonstanten, Orientierung des Übergangsdipolmoments oder Lebensdauer des angeregten Zustands. Andere komplementäre Techniken, die auch Strukturinformationen zu elektronisch angeregten Zuständen liefern, sind die resonante Ionisationsvariante der rotationsaufgelösten vibronischen Spektroskopie, die in der Gruppe von Neusser in München entwickelt wurde, und die Rotationskohärenzspektroskopie, die von Felker eingeführt und in der Gruppe von Brutschy und Riehn in Frankfurt. Für die Rotationsauflösung der Spektren großer Moleküle ist eine Auflösung von 1 zu 108 über den gesamten UV-Bereich erforderlich.
Experimentell
Der Versuchsaufbau für die rotationsaufgelöste laserinduzierte Fluoreszenz (LIF) besteht aus einem Einfrequenz-Ringfarbstofflaser, der entweder mit 6 W der 514 nm Linie eines Ar+ Lasers oder mit 7 W der 515 nm Linie eines diodengepumpten cw Yb:YAG Lasers (ELS MonoDisk-515). Das Licht wird in einen externen gefalteten Ringhohlraum zur Erzeugung der zweiten Harmonischen (SHG) eingekoppelt. Der Molekularstrahl wird gebildet, indem eine meist erhitzte Probe, die typischerweise in 200 - 1000 mbar Argon geimpft wird, durch ein 100 - 300 µm großes Loch in das Vakuum expandiert wird. Die Molekularstrahlmaschine besteht aus drei unterschiedlich gepumpten Vakuumkammern, die durch zwei Skimmer (1 mm bzw. 3 mm) linear verbunden sind, um die Dopplerbreite zu reduzieren. Der Molekularstrahl wird in der dritten Kammer rechtwinklig mit dem Laserstrahl 360 mm hinter der Düse gekreuzt. Die resultierende Fluoreszenz wird senkrecht zur durch Laser und Molekularstrahl definierten Ebene von einer abbildenden Optik, bestehend aus einem konkaven Spiegel und zwei plankonvexen Linsen, gesammelt. Die resultierende Dopplerbreite in diesem Aufbau beträgt 15 MHz (FWHM). In einigen Experimenten betrug die Dopplerbreite 25 MHz, wegen einer etwas anderen Anordnung des optischen Systems. Die integrierte molekulare Fluoreszenz wird von einer Photomultiplierröhre detektiert, deren Ausgabe von einem Photonenzähler diskriminiert und digitalisiert und zur Datenaufzeichnung und -verarbeitung an einen PC übertragen wird. Die relative Frequenz wird mit einem kalibrierten quasi-konischen Fabry-Perot-Interferometer mit einem freien Spektralbereich (FSR) von ca. 150 MHz bestimmt. Die absolute Häufigkeit wird durch Aufzeichnen des Jodabsorptionsspektrums und Vergleich der Übergänge mit den tabellarischen Linien bestimmt.
Beispiel: Tryptamin
Tryptamin selbst, aber noch mehr seine Analoga Serotonin (5-Hydroxytryptamin) und Melatonin (5-Methoxy-N-acetyl-tryptamin) sind als Neurotransmitter bekannt. Ihre Konformationsstabilitäten und Präferenzen sind von großer Bedeutung für quantitative Struktur-Aktivitäts-Beziehungen bei Neurotransmitter-Rezeptor-Interaktionen. Da alle biologischen Prozesse in wässriger Umgebung ablaufen, ist die Wechselwirkung mit einer definierten Anzahl von Lösungsmittelmolekülen von großem Interesse. Es stellt sich die Frage, wie viele Wassermoleküle notwendig sind, um die große Vielfalt der energetisch zugänglichen Konformationen an die biologisch aktive(n) zu binden. Das unten gezeigte Spektrum ist eines der beeindruckendsten Beispiele für die Leistungsfähigkeit der auf genetischen Algorithmen basierenden automatisierten Zuordnung. Acht überlappende Isotopomere des Tryptamin-B-Konformers wurden gleichzeitig mit der automatisierten Technik des genetischen Algorithmus angepasst. Weitere Details finden sich in: Schmitt, M., Böhm, M., Ratzer, C., Vu, C., Kalkman, I. und Meerts, W. L.; Structural selection by microsolvation: conformational locking of tryptamine; J. Am. Chem. Soc. 127 (2005), 10356.